Was ist Spinale Muskelatrophie (SMA)?

Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine seltene monogenetische (dh. ein einzelnes Gen betreffende) neuromuskuläre Krankheit, die sich durch eine fortschreitende Muskelschwäche bemerkbar macht. Ursache dieser Schwäche ist ein Absterben von spezialisierten, für die Bewegung wichtigen (motorischen) Nerven, den sogenannten Motoneuronen. Diese haben die Aufgabe, die Signale vom Gehirn durch das Rückenmark zu den Muskeln weiterzuleiten, um so die Bewegungen der Muskeln zu steuern. Wenn die Motoneurone verkümmern, werden die Signale vom Gehirn nicht mehr an die Muskeln weitergeleitet. Bekommen Muskeln keine Signale mehr, so schrumpfen sie und werden zunehmend schwächer. Der Fachausdruck dieser Rückbildung ist Atrophie.

Symptome einer spinalen Muskelatrophie sind eine fortschreitende Muskelschwäche bis hin zur Lähmung (Parese) und Muskelzuckungen. Durch die Nervenschädigung erhalten die Muskeln keine elektrischen Impulse mehr, wodurch sie mit der Zeit schrumpfen (Muskelatrophie). Bei SMA Typ 1 zeigen sich bereits im ersten halben Lebensjahr Symptome. Typische Anzeichen sind unter anderem:

  • Schwierigkeiten beim Atmen und Schlucken
  • Schlechte Kontrolle des Kopfes
  • Zunehmende Muskelschwäche und schlechten Muskeltonus (muskuläre Hypotonie), die zu einer schlaffen oder „Froschschenkel“-Körperhaltung führen

Unbehandelt versterben 9 von 10 Patient*innen mit SMA Typ 1 innerhalb der ersten 2 Lebensjahre oder benötigen eine permanente Beatmung.

Die spinale Muskelatrophie vom Typ 2 ruft meist erst zwischen dem siebten und dem 18. Lebensmonat erste Symptome hervor. Dazu zählen unter anderem:

  • Kinder können zwar eigenständig sitzen, jedoch weder stehen noch laufen
  • Verformung der Wirbelsäule
  • Versteifte Gelenke durch verkürzte Muskeln und Sehnen
  • Zittern der Hände
  • Muskelzuckungen der Zunge
  • Schwierigkeiten bei Nahrungsaufnahme und Atmung

Im Alter von 25 Jahren leben unbehandelt noch 2 von 3 Patient*innen mit SMA Typ 2. Patient*innen mit einer SMA vom Typ 3 können ohne Unterstützung laufen, aber verlieren diese Fähigkeit wieder. Die Lebenserwartung ist in der Regel nicht beeinträchtigt.

Damit die Motoneuronen und damit die Muskeln richtig funktionieren, benötigt der Körper unter anderem ein Eiweiß namens SMN (SMN-Protein). SMN steht für „Survival Motor Neuron“, also übersetzt für das „Überleben der Motoneurone“. Dieses Protein stellt der Körper bei gesunden Menschen hauptsächlich über das SMN1-Gen her. Nur geringe Mengen von SMN-Protein werden über ein zweites Gen, das SMN2-Gen produziert.

Bei SMA ist das SMN1-Gen defekt, welches normalerweise der Hauptlieferant des Proteins ist. Das heißt, dass Patient*innen mit SMA nicht genügend SMN Protein herstellen können. Durch diesen Mangel an SMN-Protein gehen die Motoneuronen verloren.

SMA ist in Deutschland seit Oktober 2021 fester Bestandteil des Neugeborenenscreenings. Man wartet nicht auf Symptome, sondern testet direkt nach der Geburt auf SMA. Bei einem auffälligen Befund im Neugeborenen Screening wird die Diagnose mithilfe einer genetischen Untersuchung in einem Neuromuskulären Zentrum bestätig. Dort lässt sich feststellen, ob SMN1-Gen fehlerhaft ist oder sogar gänzlich fehlt.

Wurde die Diagnose Spinale Muskelatrophie bestätigt, ist die frühe Behandlung des Kindes entscheidend - denn je schneller die Therapie begonnen wird, umso besser kann der Verlauf der Spinalen Muskelatrophie positiv beeinflusst werden.

Es stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung, die darauf abzielen, den Mangel an SMN-Protein zu beheben. Die Therapieansätze unterscheiden sich in Wirkmechanismus und Anwendung:

  • Die benötigte Proteinproduktion kann über das SMN2-Gen durch Medikamente so verbessert werden, dass die Menge an funktionsfähigem SMN-Protein erhöht wird. Diese Art von Medikament wird ein Leben lang verabreicht.
  • Das defekte SMN1-Gen kann mittels Gentherapie durch ein funktionsfähiges SMN-Gen ersetzt werden. Dies erfolgt durch eine einmalige Infusion.

Das optimale Management von SMA erfordert die Beteiligung von vielen verschiedenen Fachdisziplinen. Nach der Diagnosestellung werden Patient*innen deshalb an Neuromuskulären Zentren durch multidisziplinäre medizinische Teams betreut.

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Tag der Seltenen Erkrankungen

Selten sind viele – selten ist stark – selten ist selbstbewusst

Stellen Sie sich vor, es geht Ihnen oder Ihrem Kind schlecht und dennoch wird erst nach Monaten oder Jahren und etlichen Arztwechseln Ihre Krankheit korrekt diagnostiziert. Stellen Sie sich vor, dass es dann trotzdem keine Therapie für diese Krankheit gibt. Stellen Sie sich vor, dass die Schulkamerad*innen Ihres Kindes oder Ihre Kolleg*innen und Bekannten ratlos im Umgang mit dieser Krankheit sind. Und stellen Sie sich vor, dass Sie Hunderte Kilometer fahren müssen, um Ihr Kind oder sich selbst von einem der wenigen Spezialist*innen für diese Krankheit behandeln zu lassen.