Novartis Access: ein erster Schritt in die richtige Richtung

Dez 07, 2015

Novartis Access: ein erster Schritt in die richtige Richtung

Jetuto ist ein Dorf nur rund 200 Kilometer nördlich von Nairobi und trotzdem eine andere Welt. Während in der dynamischen Hauptstadt Kenias der Verkehr brodelt und internationale Konzerne in modernen Bürogebäuden dem einstigen armen Entwicklungsland zu neuem Wohlstand verhelfen, leben die meisten Kenianer auf dem Land weiter in ärmlichen Verhältnissen. Hier ist es heiß, staubig und es riecht nach offenem Feuer und Hühnermist. Vor einer Lehmhütte mit Wellblechdach sitzen drei Frauen. Eine von ihnen ist Maryone Gope. Sie ist 65 Jahre alt, gehbehindert und leidet an Diabetes und Bluthochdruck. Vor allem machen ihr die Folgen dieser Krankheiten wie Probleme mit den Augen und angeschwollene Arme und Beine zu schaffen. Wöchentlich nimmt sie 28 Tabletten ein. Geld für eine Krankenversicherung, die 500 Kenia-Schilling (umgerechnet rund 5 US-Dollar) im Monat kostet, hat sie nicht. Um trotzdem an Medizin zu kommen, verkauft sie pro Monat ein Huhn oder flickt mit ihrer Nähmaschine die Kleidung der Dorfbewohner. 10 bis 20 Schilling steuert sie so zum schmalen Haushaltsbudget bei und bezahlt jeweils eine Tablettenration für den nächsten Tag.

Maryone Gope hat Diabetes und Bluthochdruck. Um die Symptome zu lindern, nimmt sie wöchentlich 28 Tabletten ein.
Maryone Gope hat Diabetes und Bluthochdruck. Um die Symptome zu lindern, nimmt sie wöchentlich 28 Tabletten ein.

Für Menschen wie Maryone wurde „Novartis Access“ auf den Weg gebracht. Die Initiative richtet sich an Patienten, die an chronischen nicht übertragbaren Krankheiten leiden, wie beispielsweise Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Krebs oder Diabetes. Diese Krankheiten nehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern wie Kenia stark zu. Dort sind sie mittlerweile für 27 Prozent aller Todesfälle verantwortlich – ein im Vergleich zu Industrieländern erschreckend hoher und rasch wachsender Anteil. Die Ursachen sind sozial und demografisch bedingt: Urbanisierung, wachsende Einkommen, die Bevölkerung isst mehr, aber nicht gesünder, und sie erreicht ein höheres Alter. Diese Entwicklung ist besonders folgenschwer, weil die Bevölkerung sich der Problematik chronischer Erkrankungen kaum bewusst ist. Auch fehlt es an der nötigen Infrastruktur, die für eine adäquate Behandlung nötig wäre.

Dr. Harald Nusser leitet weltweit das Novartis Access Programm
Dr. Harald Nusser leitet weltweit das Novartis Access Programm

Maryone Gope ist dabei kein Einzelfall. „Zwar sind vielfach die Medikamente vorhanden, allerdings sind sie für die Landbevölkerung meist zu teuer. Die Patienten müssen oft den ganzen Tag für ihre Medikamente arbeiten; im schlimmsten Fall verschulden sie sich“, erklärt Dr. Harald Nusser, Global Head Novartis Access. Hier setzt das Programm mit 15 patentgeschützten Medikamenten und Generika der Novartis Gruppe an. Basis für das Produktportfolio von Novartis Access ist einerseits die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), andererseits die Liste der am häufigsten verschriebenen Medikamente in Kenia. Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Anbieter im öffentlichen Gesundheitssektor erhalten die Medikamente zum Einheitspreis von einem US-Dollar oder 100 Kenia-Schilling pro Behandlung und Monat. Ziel ist es, dass Patienten am Ende nicht mehr als 150 Kenia-Schilling für eine Monatsbehandlung zahlen.

Doch auch wenn die Senkung der Arzneimittelkosten ein erster, effizienter Schritt in die richtige Richtung ist: „Es müssen weitere Barrieren überwunden werden“, betont Dr. Jörg Reinhardt, Vorsitzender des Verwaltungsrats bei Novartis, beim offiziellen Start des Novartis Access Programms in Kenia Mitte Oktober. Novartis Access setzt deshalb auf Partnerschaften, um das Bewusstsein für chronische Erkrankungen zu schärfen, die Verteilsysteme für Arzneimittel weiter auszubauen und das Gesundheitspersonal des jeweiligen Landes in der Diagnose und Behandlung von chronischen Erkrankungen zu schulen.
 
Eine Arbeit, die kompliziert und logistisch extrem aufwendig sein kann: „Meist scheitert die Versorgung mit Medikamenten auf den letzten Metern an logistischen Hürden“, weiß Nusser aus Erfahrung. Oftmals ist es schwierig, Bewohnern von ländlichen Gegenden den Zugriff auf Medikamente zu ermöglichen. Nusser reiste bereits mehrmals nach Kenia, um mit Hilfsorganisationen und den kommunalen Verwaltungschefs die Verteilung der Medikamente zu organisieren. „Um Novartis Access auszurollen, müssen alle an einem Strang ziehen!“, führt er aus. In Kenia greift Nusser daher auf bereits seit Jahrzehnten bestehende Strukturen zurück, beispielsweise auf „Familia Nawiri“, was ins Deutsche übertragen „gesunde Familie“ bedeutet. Mitarbeiterinnen von Familia Nawiri besuchen regelmäßig die Frauen der Dorfgemeinschaften zum abendlichen Austausch. Sie sprechen über gesunde Ernährung, informieren über Krankheiten, stellen den Kontakt zu Krankenpflegern und Ärzten her und tragen somit zur Aufklärung bei. Gleichzeitig unterstützen sie sie bei der Versorgung mit Medikamenten.

Es sind diese einzelnen organisatorischen Puzzleteile, die in den kommenden Wochen zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden müssen. Nusser und das Novartis Access Team arbeiten mit Hochdruck daran. Die Erfahrungen, die man in Kenia sammelt, sollen als Blaupause für Länder wie Äthiopien und Vietnam dienen. Andere sollen folgen. Der Bedarf ist weltweit hoch. Einige weitere Länder haben die Novartis Access Verantwortlichen bereits identifiziert. So soll das Produktportfolio von Novartis Access langfristig in 30 Ländern verfügbar sein.

Eine Mitarbeiterin von Familia Nawiri spricht auf einem Dorfplatz in Kenia mit dem Rat der Frauen
Eine Mitarbeiterin von Familia Nawiri spricht auf einem Dorfplatz in Kenia mit dem Rat der Frauen

Dann soll auch das Beispiel von Maryone Gope Schule machen. Als eine der ersten Patientinnen in Kenia erhält sie künftig die Arzneimittel für die Behandlung ihrer Diabetes- und Herz-Kreislauf-Erkrankung aus dem Novartis Access Portfolio. Parallel hat sie sich bei Familia Nawiri angemeldet, die überprüft, ob sie die Medikamente gegen ihre chronischen Erkrankungen regelmäßig einnimmt. Wenn die 65-Jährige jetzt weiterhin unermüdlich die kaputten Hosen der Nachbarn stopft und offene Nähte flickt, dann deshalb, weil Maryone einen großen Wunsch hat: Statt die schmale Haushaltskasse der Familie mit den Kosten für ihre Behandlung zu belasten, möchte Maryone künftig ihren Beitrag mit dem ein oder anderen Kenia-Schilling beisteuern.